Marokko und Russland vertiefen strategische Zusammenarbeit in Moskau

In Moskau fand die 8. Sitzung der Gemischten Regierungskommission zwischen Marokko und Russland statt. Unter Leitung des marokkanischen Außenministers Nasser Bourita und des russischen Vizepremierministers Dmitri Patruschew stand die Sitzung im Zeichen der Erweiterung des bestehenden strategischen Rahmens. Die Gespräche erfolgten im Kontext des zehnten Jahrestags des Partenariat Stratégique Approfondi, das 2016 auf höchster Ebene bestätigt wurde und seither als Grundlage für die bilateralen Beziehungen dient.

Bourita erklärte zu Beginn der Sitzung, das Treffen biete „eine Gelegenheit, alle vorhandenen Potenziale zu nutzen, um die gemeinsame Zusammenarbeit auf eine breitere Ebene zu heben“. Er verwies auf die positiven Ergebnisse seit der offiziellen Annäherung beider Staaten und betonte die politische Ausrichtung auf Kontinuität und vertiefte operative Partnerschaft. Russland hob seinerseits die „Stabilität und Vertrauensbasis“ in den Beziehungen hervor und sprach von einer „konsequenten Entwicklung“ der Kooperation.

Diplomatischer Rahmen: Vertrauen und institutionelle Verstetigung

In einer gemeinsamen Pressekonferenz bezeichnete der russische Außenminister Sergej Lawrow die Beziehungen zu Marokko als „partnerschaftlich und auf Vertrauen beruhend“. Er verwies darauf, dass die Zusammenarbeit nicht nur im Bereich klassischer Außenpolitik, sondern auch auf technischer und wirtschaftlicher Ebene systematisch ausgebaut werde. Beide Seiten unterstrichen ihre Koordinierung in multilateralen Foren, insbesondere bei den Vereinten Nationen sowie im Rahmen der Formate Russland-Afrika und Russland – Arabische Liga.

Lawrow hob zudem hervor, dass der politische Dialog nicht gegen andere Akteure gerichtet sei, sondern auf „regionale Stabilität und gegenseitigen Respekt“ abziele. Die Einrichtung einer gemeinsamen Arbeitsstruktur zur Vertiefung der strategischen Partnerschaft wurde als technisches Instrument zur dauerhaften Abstimmung angekündigt.

Wirtschaftliche und technische Achsen der Kooperation

Bourita und Patruschew nannten mehrere Bereiche, in denen operative Zusammenarbeit ausgebaut werden soll. Dazu zählen Energie, Handel, Investitionen, Fischereiwirtschaft, Tourismus, Umweltkooperation, Bildung und wissenschaftlicher Austausch. Nach Angaben der russischen Seite studieren derzeit 4.250 marokkanische Staatsbürger an Hochschulen in Russland. Beide Regierungen wollen den akademischen Austausch weiter institutionalisieren, unter anderem durch Stipendienprogramme und Fachausbildungen im technischen und maritimen Bereich.

Atlantik- und Sahel-Initiativen als geostrategischer Bezugspunkt

Die russische Delegation würdigte offiziell die von Marokko eingebrachten Initiativen zur Atlantik- und Sahel-Region. Moskau bezeichnete die marokkanischen Konzepte zur Öffnung der Sahelstaaten zum Atlantik sowie die damit verbundene Infrastrukturstrategie als Beitrag zu „Integration, Sicherheit und wirtschaftlicher Konnektivität“ auf dem afrikanischen Kontinent. Der Prozess der Atlantikstaaten, die geplante logistische Anbindung des Sahelraums sowie der Afrikanisch-Atlantische Gaspipeline-Korridor wurden als mögliche Kooperationsfelder genannt.

Neues Fischereiabkommen mit Fokus auf Regulierung und Forschung

Am Rande des Treffens unterzeichneten Bourita und der Leiter der russischen Fischereiagentur, Ilja Schestakow, ein neues vierjähriges Abkommen über die maritime Zusammenarbeit. Das Abkommen ersetzt das zuvor ausgelaufene Instrument und legt Fangquoten, zugelassene maritime Zonen, biologische Ruhezeiten und ökologische Auflagen fest.

Es enthält zudem Bestimmungen zur wissenschaftlich-technischen Zusammenarbeit zwischen dem marokkanischen Institut National de Recherche Halieutique (INRH) und seinem russischen Pendant. Der marokkanische Beitrag zur Bekämpfung illegaler, unregulierter Fischerei wird im Text ausdrücklich verankert.

Bildung und Medien als ergänzende diplomatische Kanäle

Lawrow verwies auf den Ausbau medialer Austauschprogramme sowie die zunehmende Zahl gegenseitiger Journalistenbesuche. Beide Seiten sehen in der Medien- und Bildungsebene eine Ergänzung klassischer Außenpolitik. Der Schwerpunkt liegt auf langfristigen Kontakten und Expertiseaufbau, insbesondere im Bereich technischer Spezialausbildungen für maritime Wirtschaft und Energietechnik.

Russische Position zur Westsahara-Frage und diplomatische Reaktionen

Im Zuge der Gespräche äußerte Russland eine differenzierte, aber klarer konturierte Haltung zur Westsahara-Frage. Moskau erklärte, die marokkanische Autonomieinitiative könne „als Form der Selbstbestimmung“ interpretiert werden, verwies jedoch gleichzeitig auf den Rahmen der Vereinten Nationen. Diese sprachliche Akzentverschiebung blieb nicht ohne Wirkung: Algerien verzichtete demonstrativ auf die Teilnahme an der parallel stattfindenden World Energy Week in Russland. Diplomatische Quellen ordnen den Boykott als Reaktion auf die russische Wortwahl und auf wachsende strategische Nähe zwischen Moskau und Rabat ein.

Zudem äußerte Russland Besorgnis über Entwicklungen im nördlichen Mali und verwies auf Berichte über externe Einflussnahme auf lokale Sicherheitsstrukturen. Diese Aussagen wurden in marokkanischen Diplomatenkreisen als Bestätigung einer Annäherung der strategischen Lesart beider Staaten interpretiert.

Marokko-Russland-Format als konsolidierte Partnerschaft

Die Gespräche in Moskau zeigen eine zunehmende Institutionalisierung der Beziehungen zwischen Marokko und Russland über klassische Diplomatie hinaus. Mit wirtschaftlichen Rahmenabkommen, Bildungskooperationen, Energieprojekten, fischereipolitischen Instrumenten und regionalen Entwicklungsinitiativen verschiebt sich der Schwerpunkt von einer politischen zu einer operativ-technischen Partnerschaft. Die strategische Kommission dient dabei als Plattform für sektorübergreifende Abstimmung.

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