GERD-Inbetriebnahme: Nationale Inszenierung trotz harte Fronten am Nil

Die äthiopische Regierung hat am Vorabend der offiziellen Inbetriebnahme des Grand Ethiopian Renaissance Dam (GERD) in Guba eine zentrale Feier abgehalten. Anwesend waren Premierminister Abiy Ahmed, Parlamentsführungen, frühere Regierungschefs und Regionalvertreter. Die Inszenierung mit Drohnenshow, Feuerwerk und Rundgang über die 1,8 Kilometer lange Dammkrone unterstrich den Anspruch auf nationale Einheit. Abiy zeigte sich sichtlich bewegt. Die Regierung verknüpft GERD mit einer Entlastung der Stromversorgung und mit dem Ziel, Äthiopien zum Energieknoten in Ostafrika zu machen, so Fana Media Corporation.

Technische Kenndaten und Finanzierung

Im innenpolitischen Kontext nutzte Addis Abeba GERD als Mobilisierungsplattform. Die Regierung finanzierte den Bau weitgehend aus inländischen Quellen. Die Nutzung überwiegend interner Mittel sollte externe Konditionalitäten begrenzen. Nach Angaben der Deutschen Welle zeichneten Bürger Anleihen, spendeten und leisteten Gehaltsbeiträge. Chinesische Kredite unterstützten ergänzende Infrastruktur, nicht den Dammkörper. Äthiopische Vertreter verweisen auf nationale Eigenständigkeit und auf regionale Nutzenargumente durch Stromexporte.

Kontrovers diskutiert wird die Zahl möglicher Todesfälle rund um das Projekt. Ein lokaler Medienbericht nannte über 14 Jahre bis zu 15.000 Tote in verschiedenen Kategorien, darunter Beschäftigte, Sicherheitskräfte, Fahrer und Anwohner. Der äthiopische Wasserminister Habtamu Itefa wollte die Zahl gegenüber der Deutschen Welle weder bestätigen noch dementieren. Er verwies auf zuständige Institutionen. Der frühere Projektchef Simegnew Bekele starb 2018 unter ungeklärten Umständen in Addis Abeba. Der Fall bleibt symbolisch für die aufgeheizte Projektumgebung.

Äthiopiens Position

Die Zeremonie in Guba setzte politisch auf Souveränität und Leistungsfähigkeit. Regierungsvertreter hoben die Jahre der Datenerhebung, der Bauabschnitte und der gest affelten Füllungen hervor. Addis Abeba verknüpft die Inbetriebnahme mit Erwartungen an die Elektrifizierung, an industrielle Kapazitäten und an Exporterlöse über das ostafrikanische Stromnetz. Ägypten und Sudan beharren auf rechtsverbindlichen Betriebskorridoren und Sicherheitsgarantien. Zwischen beiden Positionen bleibt eine erhebliche Lücke.

Abiy bezeichnete GERD als „Meilenstein“ und als Ausdruck von Souveränität. Er sagte, Äthiopien werde weder eigene Interessen aufgeben noch Rechte anderer Staaten verletzen. Die Regierung verweist auf die Grundsatzerklärung von 2015 mit Ägypten und Sudan. Addis Abeba betont „gerechte und angemessene Nutzung“. Äthiopien teilt nach eigenen Angaben hydrologische Daten mit Sudan. Die Regierung verknüpft GERD mit Elektrifizierung, Industriestandorten und regionalen Stromexporten. The Reporter Ethiopia zitiert Abiy mit dem Ziel einer regionalen Energie-Drehscheibe.

Kairo und Khartum erhöhen den Druck

Kurz vor der Einweihung veröffentlichten Ägypten und Sudan eine gemeinsame Erklärung. Beide Regierungen kritisieren „unilaterale“ Schritte Äthiopiens. Sie warnen vor Risiken durch unregulierte Abgaben, unzureichendes Dürremanagement und Fragen der Staudammsicherheit. Die Erklärung spricht von einem „Verstoß gegen das Völkerrecht“ und einer „dauerhaften Bedrohung der Stabilität im östlichen Nilbecken“. Sie bezieht sich auf das „Konsultative 2+2“-Format der Außen- und Wasserminister in Kairo. Die Minister verlangen, Wasserrechte der Unterlieger zu sichern und die Nilbecken-Initiative auf ein Konsensprinzip zurückzuführen. Die Position stützt sich auf das Nilabkommen von 1959 zwischen Ägypten und Sudan mit jährlichen Quoten von 55,5 und 18,5 Milliarden Kubikmetern. Äthiopien war an diesem Vertrag nicht beteiligt und erkennt ihn nicht an, so The Reporter Ethiopia und Deutsche Welle.

Addis Abeba schafft Fakten

Addis Abeba verweist dagegen auf „gerechte und angemessene Nutzung“ und die von allen drei Staaten 2015 unterzeichnete Erklärung von Prinzipien. Äthiopische Stellen betonen, man teile hydrologische Daten mit Sudan und halte sich an die Grundsätze. Premierminister Abiy Ahmed erklärte vor der Einweihung, Äthiopien werde „weder die eigenen Interessen kompromittieren noch die Rechte anderer Länder unterminieren“. Er sprach von Gerechtigkeit als „ordnungsgemäßes Empfangen des Eigenen und gerechtes Zuteilen des Anderen“. GERD markiere „das Ende der Geringschätzung Äthiopiens“. Abiy stellte die strategische Bedeutung heraus: Der Damm stärke die regionale Stellung und die Integration über Stromexporte, so The Reporter Ethiopia.

Die Verhandlungsgeschichte bleibt konflikthaft. Nach Angaben von Addis Standard endeten zwölf Jahre Gespräche ohne belastbare Ergebnisse. Ägypten fordert rechtlich bindende Regeln für Füllung und Betrieb, insbesondere in Dürreperioden. Addis Abeba lehnt starre Zusagen ab und verweist auf klimatische Variabilität und auf betriebliche Flexibilität. Sudan schwankt seit Jahren zwischen Sicherheitsbedenken und potenziellen Vorteilen. Dazu zählen Flutregulierung, geringere Sedimentation in eigenen Stauseen und mögliche Stromimporte. Die gemeinsame Linie Kairos und Khartums betont aktuell wieder maximale Absicherung der Unterliegerinteressen. Gleichzeitig betont Äthiopien die Fortführung des AU-Rahmens. Die äthiopische Seite spricht von einer „neuen Realität“ im Nilbecken, in der Oberlieger Entwicklungsrechte durchsetzen. Addis Standard verweist auf den Paradigmenwechsel von der Verhinderung zur Anpassung.

Energieökonomie und Regionalbezüge

Die Regierung erwartet, dass GERD die äthiopische Stromproduktion verdoppelt. Rund 60 Millionen Menschen leben bisher ohne verlässlichen Zugang. Stromexporte nach Sudan, Kenia und Dschibuti gelten als möglich. Dafür sind zusätzliche Netzinvestitionen nötig.

Fachbeiträge verweisen auf potenzielle Systemeffekte: Flutdämpfung, weniger Sedimente stromabwärts und eine bessere Dürrepufferung bei koordinierter Steuerung. Ägypten und Sudan fordern hingegen belastbare, bindende Regeln für ungewöhnliche Niedrigwasserjahre und für Sicherheitsstandards am Damm.

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