Madagaskars Präsident Andry Rajoelina hat am 13. Oktober 2025 bestätigt, das Land aus Sicherheitsgründen verlassen zu haben. In einer über soziale Medien und private Fernsehsender verbreiteten Ansprache erklärte er, eine militärische Fraktion habe versucht, die Macht zu übernehmen und ein Attentat auf ihn zu verüben. Um ein Blutvergießen zu verhindern, habe er sich entschieden, „vorübergehend in Sicherheit zu gehen“.
Präsident Rajoelina warnt vor Putsch – obwohl dieser schon längst im Gange ist
Die geplante Ausstrahlung seiner Rede im staatlichen Fernsehen TVM wurde verhindert, nachdem Einheiten des Militärs, insbesondere des Corps d’Administration et des Services de l’Armée de Terre (CAPSAT), die Kontrolle über die Sendeanstalten übernommen hatten. Die öffentliche Ansprache, ursprünglich für 19 Uhr vorgesehen, verzögerte sich um mehrere Stunden und wurde schließlich über die offiziellen Facebook-Seiten des Präsidenten und der Präsidentschaft veröffentlicht.
Nach vorliegenden Berichten übernahm CAPSAT die Kontrolle über Teile der Streitkräfte, benannte neue Führungen für Armee und Gendarmerie und erklärte, „das Volk solle entscheiden“. Rajoelina sprach von einem „illegalen Versuch, die Macht mit Gewalt zu ergreifen“. Die Ereignisse erinnerten an das Jahr 2009, als er selbst mit Unterstützung von CAPSAT den damaligen Präsidenten Marc Ravalomanana stürzte. Nun richtet sich dieselbe Eliteeinheit gegen ihn.

Colonel Michael Ranndrianirina erklärte am Nachmittag vor dem Präsidialpalast: “Wir haben ab heute die Macht. Wir lösen den Senat auf. Die Nationalversammlung lassen wir arbeiten. Wir werden ein Rat einsetzen.” In einem anderen Statement bestätigt er auch die Auflösung der Verfassungsordnung.
Druck von Straße und Armee
Seit Ende September protestieren in Madagaskar Zehntausende, angeführt von der sogenannten „Generation Z“, gegen Energieausfälle, steigende Lebenshaltungskosten und Korruption. Am Wochenende schloss sich CAPSAT den Demonstrationen an, übernahm Teile des Militärs und forderte den Rücktritt des Präsidenten. Die Vereinten Nationen meldeten mindestens 22 Todesopfer durch Sicherheitskräfte, Banden und Plünderer.
A Madagascar, malgré la dissolution, les députés votent pour le limogeage du Président Andry Rajoelina pic.twitter.com/ngqqjbSqHF
— Elodie Goulesque (@Eloditeur) October 14, 2025
Das Parlament bereitete in seiner Sitzung am Dienstag ein mögliches Amtsenthebungsverfahren vor, während Rajoelina per Dekret die Auflösung der Nationalversammlung anordnete. Damit blockierte er das Verfahren und versuchte, seine Autorität wiederherzustellen. Die Lage bleibt unübersichtlich. Nach Angaben der rfi votierte das Parlement für die Amtsenthebung des Präsidenten. Der Verfassungsrat bestätigte das Votum.
Präsident gewährt Häftlingen Begnadigung
Zeitgleich mit seiner Flucht veröffentlichte Rajoelina ein Dekret, mit dem er acht verurteilten Personen, darunter politische Gefangene, Journalisten und ehemalige Regierungsmitarbeiter, eine außergewöhnliche Strafmilderung gewährte. Zu den Begnadigten zählen der frühere Berater Paul Maillot Rafanoharana und der Journalist Roland Hubert Rasoamaharo. Die Maßnahme wird von Beobachtern als Bestandteil eines Deals mit Frankreich gewertet. Rajoelina wurde mit einem militärischen Flugzeug aus Madagaskar ausgeflogen.
Frankreich ruft zu Verfassungsordnung auf
Der französische Präsident Emmanuel Macron äußerte sich am Rande des Friedensgipfels für Gaza in Scharm El-Scheich besorgt über die Lage auf der Insel. „Es ist sehr wichtig, dass die verfassungsmäßige Ordnung und die institutionelle Kontinuität in Madagaskar gewahrt bleiben, weil die Stabilität des Landes davon abhängt“, sagte Macron.
Er betonte zugleich die „Freundschaft Frankreichs mit dem madagassischen Volk“ und warnte vor einer militärischen Einflussnahme auf die politische Bewegung der Jugend. „Wir haben eine Jugend, die sich ausdrückt, die politisiert ist, die besser leben will – das ist eine gute Sache. Aber sie darf nicht von militärischen Fraktionen oder ausländischen Einflüssen vereinnahmt werden“, so Macron weiter.
Emmanuel Macron a exfiltré Andry Rajoelina, mais il n’aime pas le président de #Madgascar. Il lui reproche d’être trop proche des Russes et de revendiquer la souveraineté malagasy sur les îles Éparses. Rajoelina a aussi refusé de laisser s’installer une emprise militaire… pic.twitter.com/PMS06H5AIr
— THOMAS DIETRICH (@thomasdietrich0) October 14, 2025
Paris bekräftigte damit seine Linie, die auf den Erhalt der bestehenden Verfassungsordnung und die Unterstützung eines zivilen, verhandelten Übergangs setzt. Frankreich kündigte an, eng mit der Afrikanischen Union und der SADC zusammenzuarbeiten, um eine friedliche Lösung der Krise zu fördern.
Politische Unsicherheit und wirtschaftliche Risiken
Rajoelina warnte in seiner Ansprache vor den Folgen eines politischen Zusammenbruchs. Nach seinen Angaben sind 54 internationale Entwicklungsprojekte und Hilfsprogramme im Umfang von über 100 Millionen US-Dollar gefährdet, falls die Instabilität anhält. Er rief die Bevölkerung zu Ruhe und Einheit auf: „Der Respekt der Verfassung ist der einzige Weg aus dieser Krise.“
Mit Blick auf die Energiekrise kündigte der Präsident an, sich persönlich um die Lieferung von Stromaggregaten zu kümmern, die über Partnerländer bereitgestellt werden sollen. Ziel sei eine kurzfristige Entlastung des Versorgers JIRAMA. Zugleich stellte er die Aufhebung der zuletzt verhängten Ausgangssperre in Aussicht, um wirtschaftliche Aktivitäten zu erleichtern, verbunden mit dem Hinweis auf Sicherheitspriorität und Verantwortungsbewusstsein in der öffentlichen Debatte.
Afin d’augmenter la production d’énergie à Madagascar et de répondre aux difficultés d’électricité que vivent nos concitoyens, je procède actuellement à la réception de nouveaux groupes de production.
— Andry Rajoelina (@SE_Rajoelina) October 14, 2025
Ces équipements permettront de renforcer la capacité énergétique nationale. pic.twitter.com/Kr86w0GeQx
Für viele Beobachter zeigt die aktuelle Krise, dass Madagaskars fragile Institutionen weiterhin anfällig für Machtkämpfe bleiben. Zwischen Forderungen nach Rücktritt, Übergangsregierung und Verfassungswahrung steht das Land erneut am Scheideweg zwischen Demokratie und militärischem Einfluss.