Die französische Armee sieht sich einer Debatte über die Verlagerung der Produktion ihrer Uniformen nach Afrika gegenüber. Bisher wurden diese von der traditionsreichen Firma Marck & Balsan in Calais gefertigt, die seit 1999 auf die Herstellung hochwertiger Militärbekleidung spezialisiert ist. Besonders bekannt ist das Unternehmen für die Anfertigung der Paradeuniformen zum Nationalfeiertag am 14. Juli.
Paul Boyé unterbietet Marck & Balsan
Ein jüngst vergebener Auftrag sorgt nun für Aufsehen: Das Verteidigungsministerium hat den Zuschlag an Paul Boyé Technologies aus Haute-Garonne erteilt. Obwohl das Unternehmen 90 % der Wertschöpfung in Frankreich halten will, wird ein erheblicher Teil der Produktion nach Madagaskar ausgelagert. Dort beschäftigt Paul Boyé bereits rund 1.000 Mitarbeiter. Der Kostenunterschied zwischen den Angeboten war signifikant: Paul Boyé Technologies bot 26 Millionen Euro, während Marck & Balsan fast 70 Millionen Euro forderte. Paul Boyé begründet den Preisunterschied mit globalen Marktbedingungen und Fachkräftemangel in der französischen Textilbranche.
Die Vergabe des Auftrags bedeutet das Aus für das Werk von Marck & Balsan in Calais. 65 Arbeitsplätze, hauptsächlich von Frauen, die ihre gesamte Laufbahn in der Firma verbracht haben, stehen auf dem Spiel. Zwar gibt es Versuche, eine Neuanstellung in der Luxusbranche zu ermöglichen und einen Nachfolger für das Werk zu finden, doch die Zukunft der betroffenen Beschäftigten bleibt ungewiss. Diese Entwicklung reiht sich in den allgemeinen Niedergang des französischen Textilsektors ein, da Marck & Balsan zuvor bereits Aufträge von SNCF und RATP an Unternehmen mit Produktionsverlagerung verloren hatte.
Das Verteidigungsministerium verteidigt seine Entscheidung mit der hohen Qualität der Produkte von Paul Boyé Technologies und der Sicherstellung, dass ein wesentlicher Teil der Produktion in Frankreich verbleibt. Zudem wird ein Recyclingprojekt für Militäruniformen geprüft, um in Krisenzeiten die Rohstoffversorgung sicherzustellen. Die Bürgermeisterin von Calais, Natacha Bouchart, kritisiert jedoch das Fehlen einer klaren nationalen Industriepolitik. Sie warnt, dass die Herstellung militärischer Ausrüstung eine strategische Bedeutung für die französische Verteidigung habe. Diese Entwicklung wirft grundlegende Fragen über das Spannungsverhältnis zwischen wirtschaftlicher Wettbewerbsfähigkeit und industrieller Souveränität im Verteidigungssektor auf.