Der Oberste Rat der Ulemas (dt. Gelehrten) in Marokko wurde auf Anweisung von König Mohammed VI mit der Ausarbeitung einer umfassenden Fatwa zur Zakat beauftragt. Ziel ist es, den Gläubigen klare und einheitliche Richtlinien zur Anwendung dieses zentralen Pfeilers des Islams zu bieten.
Inhalt und Zielsetzung der Fatwa
Die Fatwa soll innerhalb eines Monats veröffentlicht werden und sich insbesondere mit Fragen beschäftigen, die im Kontext moderner Wirtschaftsformen entstanden sind. Dazu gehören Einkommen aus Löhnen, Dienstleistungen, Investitionen und Finanztransaktionen. Konkret sollen Schwellenwerte, Bemessungsgrundlagen und Fristen für die Zahlung der Zakat präzisiert werden.
Der Rat betonte in einem Kommuniqué, dass es sich bei der Initiative um eine wissenschaftliche und informative Maßnahme handelt. Sie soll Orientierung geben und unterschiedliche Interpretationen vermeiden, die bisher in der Gesellschaft zu Verunsicherung führten.
Zakat im religiösen und sozialen Kontext
Die Zakat gilt als dritter Pfeiler des Islams nach dem Glaubensbekenntnis und dem Gebet. Sie stellt eine verpflichtende Abgabe dar, die dazu dient, Vermögen zu reinigen und soziale Solidarität zu fördern. Traditionell beträgt die Abgabe 2,5 Prozent des über ein Mondjahr angesparten Vermögens.
Mit dem Wandel wirtschaftlicher Strukturen ist jedoch die Frage aufgekommen, wie neue Einkommensformen wie Börsengewinne, Honorare oder digitale Dienstleistungen in die Berechnung einbezogen werden sollen. Die geplante Fatwa soll diese Lücke schließen.
Parallel kündigte der Oberste Rat die Einrichtung einer Internetplattform an, die ausschließlich der Zakat gewidmet ist. Bürgerinnen und Bürger sollen dort Fragen stellen und verbindliche Antworten erhalten können. Ziel ist es, eine verlässliche Informationsquelle zu schaffen und widersprüchlichen Auslegungen, insbesondere in sozialen Medien, entgegenzuwirken.
Ahmed Toufiq fordert Stärkung des religiösen Referenzrahmens
Im Rahmen der religiösen Zeremonien zum Geburtstag des Propheten legte Ahmed Toufiq, Minister für Habous und Islamische Angelegenheiten, dem König den Jahresbericht des Rates vor. Er betonte dabei die „dringende Notwendigkeit, den religiösen Referenzrahmen zu stärken“.

Toufiq sprach von einem „sichtbaren Rückgang der Religiosität“, der durch gesellschaftliche Entwicklungen und statistische Indikatoren belegt werde. Er forderte, den Koran stärker im Alltag zu verankern und Religion als umfassendes System zu betrachten, das auf den Prinzipien Freiheit und Verantwortung basiert.
Der Minister verwies auf den wachsenden Zuspruch für Freitagspredigten im Rahmen des nationalen Predigtplans und hob die Anstrengungen der Ulemas hervor, ein Modell religiöser Betreuung zu entwickeln, das universelle Gültigkeit beanspruchen könne. Dieses solle spirituelle Werte mit praktischen Entwicklungszielen verbinden.