Herintsalama Rajaonarivelo wird neuer Premierminister in Madagaskar

Drei Tage nach der Vereidigung des neuen Staatschefs Michaël Randrianirina hat Madagaskar einen neuen Premierminister: Herintsalama Rajaonarivelo, ein bekannter Unternehmer und Wirtschaftsexperte, wurde am Montagabend im Präsidentenpalast von Iavoloha offiziell ernannt. Die Entscheidung markiert einen weiteren Schritt in der politischen Neuordnung des Landes nach den Massenprotesten und dem Sturz des früheren Präsidenten Andry Rajoelina.

Rajaonarivelo: Ein wirtschaftsnahes Profil für eine schwierige Phase

Mit Rajaonarivelo beruft Randrianirina erstmals eine Persönlichkeit aus der Privatwirtschaft an die Spitze der Regierung. Der neue Premierminister gilt als erfahrener Wirtschaftsmanager mit langjährigen Kontakten zu internationalen Finanzinstitutionen und Entwicklungsbanken.

Er war Vorsitzender der Fivmpama (Verband madagassischer Unternehmer), des International Trade Board of Madagascar und des Groupement des entreprises malgaches (FOM). Zudem bekleidet er Aufsichtsratsmandate bei der BNI Madagascar, der CNAPS und bei Madarail, wo er mit bekannten Wirtschaftsakteuren wie Mamy Ravatomanga und Naina Andriantsitohaina zusammenarbeitet.

Beobachter sehen in seiner Ernennung ein klares Signal, dass die neue Regierung wirtschaftliche Stabilität und Investorenvertrauen priorisiert. Ein Regierungsberater erklärte, dass Rajaonarivelo die Mechanismen der Finanzwelt kenne und mit den Anforderungen internationaler Geber vertraut sei.

In einer Zeit, in der das Land unter wirtschaftlicher Stagnation, Energieengpässen und hoher Armut leidet, soll der Premierminister den dringend benötigten Neustart einleiten. Zu seinen unmittelbaren Aufgaben zählen die Bekämpfung der Korruption, die Verbesserung der Investitionsbedingungen sowie die Wiederherstellung der Basisversorgung – darunter Strom, Wasser und Lebensmittelversorgung.

Politische Spannungen und Kritik an der Ernennung

Trotz seiner fachlichen Qualifikation regt sich Widerstand gegen die Ernennung. Teile der politischen Opposition werfen Präsident Randrianirina einen Mangel an Transparenz und Konsultation bei der Entscheidungsfindung vor. Kritiker sprechen von einem „geschlossenen Kreis“ einflussreicher Geschäftsleute und Abgeordneter, die die Auswahl maßgeblich beeinflusst hätten.

Auch in der Zivilgesellschaft formieren sich kritische Stimmen. Vertreter der Jugendbewegung Génération Z, die maßgeblich zum Sturz des alten Regimes beigetragen hatte, äußerten Enttäuschung und Misstrauen. Viele junge Aktivisten hatten gehofft, stärker in den politischen Erneuerungsprozess eingebunden zu werden.

Ein Sprecher der Bewegung erklärte, man habe für einen Bruch mit den alten Strukturen gekämpft, nicht für ihre Wiederbelebung unter einem neuen Namen.

Rajaonarivelo gilt in Teilen der Bevölkerung als Symbol der wirtschaftlichen Elite, die seit Jahren politischen Einfluss ausübt. Seine enge Verbindung zu Wirtschaftsnetzwerken wird in sozialen Medien kontrovers diskutiert – als mögliche Stärke für die Wirtschaft, aber auch als Risiko für Interessenkonflikte zwischen Staat und Privatsektor.

Ein Regierungswechsel im Eiltempo

Der neue Premierminister ersetzt Ruphin Zafisambo, der erst am 6. Oktober von Ex-Präsident Rajoelina ernannt worden war. Zafisambo sollte ursprünglich die Übergangsphase nach den Unruhen stabilisieren, wurde jedoch nach nur 14 Tagen im Amt abgelöst – ein deutliches Zeichen für die Dynamik und Unsicherheit der politischen Umbrüche in Madagaskar.

Nach dem Rücktritt Rajoelinas am 11. Oktober, infolge des Militärbeitritts zur Protestbewegung, übernahm Oberst Michaël Randrianirina die Führung des Staates als „Präsident der Refondation“. Seine Regierung steht unter erheblichem Druck, die Erwartungen einer desillusionierten Bevölkerung zu erfüllen und das Vertrauen internationaler Partner wiederherzustellen.

Wirtschaftliche Erwartungen und soziale Herausforderungen

Mit Herintsalama Rajaonarivelo setzt Randrianirina auf ein technokratisches Profil, das sowohl in der Wirtschaft als auch bei internationalen Geldgebern Anklang finden dürfte. Beobachter warnen jedoch, dass wirtschaftliche Kompetenz allein nicht ausreichen wird, um die tiefen sozialen Spaltungen im Land zu überwinden.

Madagaskar steht vor massiven Herausforderungen: Über 75 Prozent der Bevölkerung leben in Armut, und die Arbeitslosigkeit bleibt hoch. Hinzu kommen strukturelle Defizite in der Energieversorgung, Korruption auf Verwaltungsebene und eine fragile Sicherheitslage.

Die neue Regierung kündigte an, innerhalb der nächsten Wochen einen „Plan national de relance“ vorzulegen – ein wirtschaftliches Sofortprogramm, das Investitionen ankurbeln und die Inflation eindämmen soll.

Ein Balanceakt zwischen Erwartungen und Realität

Rajaonarivelo übernimmt die Regierung in einer Phase, in der Madagaskar sowohl politisch als auch wirtschaftlich an einem Wendepunkt steht. Die kommenden Wochen werden zeigen, ob er in der Lage ist, die Vision einer „Refondation“ in konkrete Reformen umzusetzen – und ob er das Vertrauen der jungen Generation zurückgewinnen kann, die den politischen Wandel maßgeblich herbeigeführt hat.

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